Josef Matthias Hauer
Josef Matthias Hauer (19. März 1883 – 22. September 1959) war jener österreichische Zwölftonpionier, der bereits 1919 in seinem Opus 19 (Nomos für Klavier) erstmalig eine Folge aller zwölf Halbtöne des temperierten Tonsystems zur Basis einer Komposition gemacht hatte.
Hauer war gebürtiger Wiener Neustädter. Ab 1897 besuchte er die Lehrerbildungsanstalt in seiner Geburtsstadt und unterrichtete zunächst als Musik- und Turnlehrer, bevor er, seinen Beruf aufgebend, sich ganz der Musik widmete.
ZEITTAFEL
1883
Josef Matthias Hauer, geb. 19. März, 10.45 Uhr, Wiener Neustadt, Lange Gasse 23
1888
Erste musikalische Unterweisung durch den Vater im Zitherspiel.
1889-1897
Besuch der Volks- und Bürgerschule.
1897-1902
Besuch der Lehrerbildungsanstalt in Wiener Neustadt (Matura am 15. 7. 1902). Daselbst musikalische Ausbildung in Klavier, Orgel, Cello und Gesang. Freundschaft mit dem Studienkollegen und späteren Philosophen Ferdinand Ebner.
1902-1904
Provisorischer Unterlehrer in Krumbach, später Lehrer in St. Pölten in Niederösterreich, erste kompositorische Versuche.
1904
Staatliche Lehrbefähigungsprüfung.
1904-1914
Lehrer in Wiener Neustadt, rege Betätigung als Organist, Chordirigent und Cellist in einem Streichquartett. Lehramtsprüfung für den Musikunterricht an Mittelschulen und Lehrerbildungsanstalten.
1907
Eheschließung mit Leopoldine Hönig. Der Ehe entstammen zwei Töchter (Martha, Elisabeth) und ein Sohn (Bruno).
1908-1912
Gesang- und Turnlehrer am Gymnasium Wiener Neustadt.
1912
Die erste veröffentlichte Komposition: op. 1, Erste Symphonie, später „Nomos in sieben Teilen“ für Klavier zu zwei und vier Händen.
1913
Uraufführung von op. 1 in St. Pölten.
1914
Zum Militärdienst einberufen.
1915
Übersiedlung nach Wien 6, Webgasse Nr. 5/18, später Schmalzhofgasse 26.
1918
Vom Militärdienst entlassen. (Wohnung bis zu seinem Tode Wien 8, Bennogasse 2.)
1919
Nach kurzer Aufnahme der Unterrichtstätigkeit wegen stark angegriffener Gesundheit in den Ruhestand versetzt. Begegnung mit dem Maler Johannes ltten (,,Bauhaus“). Analogie: Gegenstandslose Malerei – athematische Musik.
Zwölfteiliger Farbkreis. Entdeckung des „Zwölftongesetzes“ beim Studium eigener Werke. Die erste konsequent auf einer Zwölftonreihe beruhende Komposition: op. 19 ,,Nomos“ für Klavier. Adaption und Ausbau der 12stufigen Notenlineatur. – Zwölftonschrift.
1920
Die Schrift „Vom Wesen des Musikalischen“ stellt den ersten theoretischen Versuch dar, die musikalischen Kompositionen auf die Basis der gleichschwebenden Temperatur zu stellen. Die Vorarbeiten zu dieser Schrift gehen noch in die Jahre der Militärdienstzeit zurück. (Neuauflage des Buches durch Victor Sokolowski bei Musikverlag Robert Lienau, BerlinLichterfelde, 1966.)
1921
Entdeckung der 44 Tropen (Wendungen, Konstellationsgruppen). Das System der Tropen ermöglichte erst die tiefere Einsicht in die Bewegungsgesetze des temperierten Tonsystems.
1921-1923
Hölderlin-Lieder, Klavierwerke, Kammermusik, auf dem System der Tropen basierend.
1924
Freundschaft mit der Wiener Juweliersfamilie Erich Köchert. 1. Suite für Orchester.
1925
Erscheinen der theoretischen Schriften „Vom Melos zur Pauke“ und ,,Zwölftontechnik“, welche eine Dokumentation des bisher Erreichten darstellen (Universal Edition, Wien). Hermann Heiß wird Schüler von Josef Matthias Hauer.
1926
Erkenntnis der kosmischen Eigengesetzlichkeit einer Zwölftonreihe (Kontinuum) beim „Entwurf“ einer lateinischen Messe für Chor, Orchester und Orgel, op. 46. Das Prinzip ist in op. 48, „VII. Suite für Orchester“, mit großer Klarheit durchgeführt. Uraufführung 1927 in Frankfurt am Main unter Hermann Scherchen.
1927
„Wandlungen“, Kammeroratorium für 6 Solostimmen, Chor und Orchester, op. 53. Uraufführung 1928 in BadenBaden unter Hermann Scherchen. Künstlerpreis der Stadt Wien.
1928
op. 54, Violinkonzert, op. 55, Klavierkonzert
1929
Oper „Salambo“ (nach G. Flaubert), konzertante Aufführung 1930 in Berlin unter Otto Klemperer.
1930
Zuerkennung einer Ehrenpension der Stadt Wien. Othmar Steinbauer wird Schüler von Josef Matthias Hauer. Eine Berufung nach Leningrad (durch den russischen Volkskommissar für Bildungswesen A. W. Lunatscharski) scheitert aus privaten Gründen.
1932
Mysterienspiel „Die schwarze Spinne“ (nach J. Gotthelf), Uraufführung 1966 unter Michael Gielen in Wien.
1934
Tod der Ehegattin.
„Der Menschen Weg“, Kantate für Soli, Chor und Orchester, op. 67, Uraufführung 1953 in Wien unter Hans Rosbaud.
1934-1939
Lieder, Kammermusik, Orchesterwerke
1938
Diskriminierung durch das Hitler-Regime. Verbot jeder öffentlichen Tätigkeit.
1940
In völliger Abgeschiedenheit arbeitet Hauer unbeirrt an der Krönung seines Lebenswerkes, dem „Zwölftonspiel“. 1. Zwölftonspiel am 28. August 1940.
1945
Ende der Hitler-Diktatur. Die Öffentlichkeit wird langsam auf Hauer wieder aufmerksam.
1946
Victor Sokolowski und Oswald Pöstinger werden Schüler von Josef Matthias Hauer (Begegnung mit den Malern Herbert Boeckl, Josef Dobrowsky und dem Bildhauer Fritz Wotruba).
1947
Erste öffentliche Aufführung von Zwölftonspielen durch Victor Sokolowski in Wien.
1953
Ehrenmitglied der Wiener Konzerthausgesellschaft. Dr. Nikolaus Fheodoroff sowie der Kunsthistoriker und Musiker Dr. Johannes Schwieger werden Schüler von Josef Matthias Hauer (Österreichisches Seminar für Zwölftonmusik).
1954
Verleihung des Professorentitels und des Preises der Stadt Wien.
1956
Großer Österreichischer Staatspreis.
1959
Am 22. September um 11.25 Uhr stirbt Josef Matthias Hauer in Wien, am 29. September wird er im Dornbacher Friedhof in Wien begraben.
1960
Errichtung eines Josef-Matthias-Hauer-Studios in Wien durch Victor Sokolowski.
1963
Gründung des Josef-Matthias-Hauer Kreises (Erste Gesellschaft zur Pflege des Zwölftonspieles) in Wien.
1976-1982
Lehrgang für das Zwölftonspiel und die Tropen von Josef Matthias Hauer an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Wien, unter der Leitung von Prof. Victor Sokolowski.
1979
Gedenkausstellung zum 20. Todestag von Josef Matthias Hauer im Kulturzentrum, Wien 1, Annagasse. In der Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Wien findet ein Zwölftonspielabend im Rahmen der Ausstellung statt.
1981
6teilige Schulfunksendereihe im österreichischen Rundfunk: ,,Das Zwölftonspiel von Josef Matthias Hauer“.
1982
Lehrgang für das Zwölftonspiel und die Tropen an der Josef-Matthias Hauer-Musikschule der Stadt Wiener Neustadt, unter der Leitung von Robert M. Weiß.
1982
Am 6. September stirbt Prof. Victor Sokolowski in Wien, am 20. September wird er in einem Ehrengrab der Stadt Wien neben dem Grab von Josef Matthias Hauer am Dornbacher Friedhof in Wien begraben.
1997
J.M.Hauer-Gedenktafel-Enthüllung anläßlich der Fertigstellung der Revitalisierung Hauer´s Geburtshauses ini Wiener Neustadt.
Gleichzeitig wird die Neuerscheinung der CD „Eine Begegnung“ präsentiert.
1999
Gedächtnisausstellung in Wr. Neustadt in Vorbereitung unter der Ägide der Josef Matthias Hauer-Musikschule in Wiener Neustadt. Federführend dafür ist der Schüler nach Prof. Sokolowski – Herr Prof. Robert Weiss – der auch das Zwölftonspiel an dieser Schule unterrichtet.
AUSZEICHNUNGEN
Kompositionspreis der Stadt Wien, 1927
Verleihung des Professorentitels und Preis der Stadt Wien, 1954
Großer Österreichischer Staatspreis, 1955
AUSSTELLUNGEN
Wien (1963, 1966, 1979, 1983),
Gent (1969),
Warschau, Katowice und Krakow (1970)
Wiener Neustadt (1973),
Toronto (1975)
Florenz (1976)
Josef Matthias Hauers
eigenhändige Erklärung seiner Zwölftonschrift
auf dem ersten Zwölftönespiel, August 1940
Josef Matthias Hauers
eigenhändige Erklärung seiner Zwölftonschrift
auf dem ersten Zwölftönespiel, August 1940
„Des Meisters Hände“
Photographie von Ernst Hartmann, 22,4 x 30cm, Josef-Matthias-Hauer-Studio Victor Sokolowski, Wien
Gedenktafel im Wiener 8. Bezirk
Hauer lebte lange in der Bennogasse 2 in der Josefstadt. Das Haus wurde jedoch abgerissen. Eine Gedenktafel wurde in der Josefstädterstraße 74 angebracht. Foto: © Fotoarchiv Schilder
Quelle: 80 Jahre Zwölftonmusik, Josef Matthias Hauer, 1999 und Josef Matthias Hauer zum 100.Geburtstag am 19.März 1983, Sonderausstellung des Historischen Museums der Stadt Wien.