Das Kontinuum
Die Intervalle zwischen den Zyklustönen werden nach Schritten und Sprüngen unterschieden: schrittweise aufeinanderfolgende Töne lösen einander ab, die größeren Intervalle der Sprünge führen zum Zusammenklang zwischen den Tönen.
Eine bestimmte räumliche Manifestation eines Zwölftonzyklus hat einen konkreten tiefsten Ton, von dem aus die Einteilung in 4 Quadranten, also Stimmschichten mit je 3 räumlich unmittelbar übereinanderliegenden Tönen vollzogen wird.
In diesen 4 horizontalen Stimmschichten klingt nun jeder neu eintretende Zykluston so lange weiter, bis er von einem anderen Ton desselben Quadranten abgelöst wird: es ergeben sich zwölf Vierklänge, das Kontinuum.
So ist auch die Integrität der zeitlich-zyklischen Manifestation der ursprünglichen Zwölftonfolge gewährleistet: bei Wiederholungen des Zyklus treten die gleichen Zusammenklangsverhältnisse auf, da innerhalb jeder Stimmschicht alle Töne ausschließlich durch Schritte untereinander verbunden sind: Es ist ein Kreislauf innerhalb jeder einzelnen Stimmschicht möglich.
In der Notation werden die Zyklustöne als leere Notenköpfe dargestellt, die liegenbleibenden Töne hingegen als kleinere, volle Notenköpfe. Von Vierklang zu Vierklang ändert sich genau ein Ton; die neu eintretenden Töne sind wiederum die der ursprünglichen Zwölftonfolge.
Tropentafel
von Josef Matthias Hauer
in der endgültigen Nummerierung
Jene Töne, die unmittelbar vor dem Weiterschreiten in den nächsten Zykluston zum letzten Mal erklingen, werden Wendetöne genannt, die passiven, liegenbleibenden restlichen Vierklangstöne als Achsentöne bezeichnet.
Im steten Fluß der Vierklänge des Kontinuums wird nun nach einem Ruhepunkt gesucht, einem Akkord, stabil genug, um darauf als befriedigendem „Schlußakkord“ stehenbleiben zu können. Hauer wählte dafür den sogenannten großen Vierklang, einen Durdreiklang mit großer Septim, dessen höhere Töne sich alle in der Partialtonreihe des tiefsten Tones finden.
Nicht jeder Zwölftonzyklus führt – wie im Notenbeispiel – automatisch zu einem solchen Schluß, es ist also notwendig, das Kontinuum einzurichten. Dabei wird ein großer Vierklang in jenen drei Kontinua eines Zyklus gesucht, die sich durch unterschiedliche Quadrantenlage aus ein und demselben Zyklus ergeben; existiert kein großer Vierklang, wird er extern gesetzt.
Das nebenstehende Flußdiagramm zeigt den Algorithmus dieses Vorgangs – in der Darstellungsform eines Computerprogramms.
Ab Weihnachten 1947 verwendete Hauer den Horizontalspiegel oder Akkordkrebs, die rückläufige Form des progressiven Kontinuums aus dem gewählten Zwölftonzyklus. Es entsteht ein neuer Zwölftonzyklus, wogegen das Kontinuum aus dem Krebs des Zyklus andere Vierklänge liefern würde:
Quelle: 80 Jahre Zwölftonmusik, Josef Matthias Hauer, 1999