Der Zwölftonzyklus

Der Nomos, das Zwölftongesetz, beruht auf dem Postulat der zwölfstufigen, gleichschwebend temperier­ten Stimmung. Kein Ton ist Bezugston für die anderen -wie es bei Stimmsystemen mit reinen Obertoninterval­len der Fall wäre; kein Ton tritt durch wiederholtes Auftreten prominenter hervor oder erscheint gar als Grundton.

Gleiche Töne sollen so weit als möglich auseinander gerückt werden – kein Ton wird wiederholt, bevor alle anderen Töne erklungen sind. So ist der lückenlose Ablauf aller – gleichberechtigten – zwölf Töne geregelt.

Da nun die Intervalle als Träger der Klangfarbe angese­hen werden, ist im Ablauf einer Zwölftonkonstellation deren eindeutige Erscheinung zu gewährleisten: alle zwölf Töne rücken in den Bereich einer großen Septime zusammen, wobei verschiedene tiefste Töne eines solchen Tonfeldes die unterschiedlichen räumlichen Manifestationen ein und desselben Zwölftonzyklus kennzeichnen.

Ebenso ist eine solche Zwölftonfolge als zeitlicher Kreislauf zu verstehen – das Prinzip der Wiederholung nach Ablauf aller anderen Töne impliziert die zyklische Geschlossenheit und Kontinuität dieses Gebildes. Somit wird auch kein Ton durch seine spezielle Position an erster oder letzter Stelle tonale Implikationen bewir­ken.

Es gibt daher – weil jeder Zwölftonzyklus 12 reihenför­mige Phasenstände aufweist – insgesamt 39.916.800 verschiedene Zwölftonzyklen, während die Gesamt­zahl aller Reihen, d.h. aller Permutationen der zwölf Töne, 479.001.600 Möglichkeiten umfaßt.

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Der vorliegende Zyklus mit den Tönen h, cis, d, b, as, f, es, fis, a, e, c, g wurde von Victor Sokolowski gewählt und ist die Basis für zahlreiche Zwölftonspiele von Josef Matthias Hauer.

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Grafik: © Robert Michael Weiß

Quelle: 80 Jahre Zwölftonmusik, Josef Matthias Hauer, 1999